Todesstrafe in der DDR

 

Sie war eines der dunkelsten Geheimnisse der DDR - die Todesstrafe. 164 Mal wurde sie bis 1987 per Guillotine oder "Nahschuss" vollstreckt. Am 17. Juli 1987 gab es in der "Aktuellen Kamera" eine überraschende Neuigkeit: Das Politbüro habe beschlossen, die Todesstrafe in der DDR abzuschaffen. Überraschend war für die meisten DDR-Bürger aber nicht die Abschaffung der Todesstrafe, sondern die Tatsache, dass es sie überhaupt noch gegeben hatte.

 

                                                                      
Signal in den Westen

 

Aber die Nachricht von der Abschaffung der Todesstrafe war auch nicht in erster Linie für die DDR-Bürger bestimmt, sondern sie sollte ein Signal in Richtung Westen sein. Honeckers Visite in derBundesrepublik stand bevor. Und diesen Besuch wollte der SED-Chef mit guten Nachrichten in Sachen Menschenrechte vorbereiten.

 

                                                        
Todesstrafe an der Tagesordnung

 

Die Todesstrafe hatte es in der DDR von Anbeginn gegeben. In den1950er-Jahren waren Schauprozesse mit Todesurteilen an der Tagesordnung. Hingerichtet wurden nationalsozialistische Kriegsverbrecher, aber auch so genannte "Saboteure" oder "Agenten". Traurige Berühmtheit erlangten etwa die Prozesse im sächsischen Waldheim, in denen 1950 Dutzende Menschen zum Tode verurteilt worden waren

 

                                                  
Jedes Todesurteil war politisch abgesegnet

 

Hingerichtet wurden bis zum Ende der1960er-Jahre aber auch Schwerverbrecher - Mörder und
Sexualstraftäter. Nachweislich bis1974 wurden sämtliche Todesurteile politisch abgesegnet. Sie mussten dem Politbüro der SED vorgelegt und von ihm bestätigt werden. Walter Ulbricht und Erich Honecker vermerkten auf dem Urteil "Einverstanden" oder "In Ordnung". Manchmal gaben sie aber auch Anweisungen an die Richter: "Urteil muss anders formuliert werden."

 

                                                              
Der Mantel des Schweigens

 

Ab den l970er-Jahren breitete die SED den Mantel des Schweigens über die Hinrichtungspraxis in der DDR. Nach der Unterzeichnung der "Schlussakte von Helsinki" 1975, in der sich die europäischen Staaten unter anderem auch über eine Reihe von Menschenrechtsfragen geeinigt hatten, galt die Todesstrafe in Europa nicht mehr als opportun. Und Erich Honecker, besessen vom Wunsch nach internationaler Anerkennung der DDR, bestätigte Todesurteile nur noch in Ausnahmefallen. Hingerichtet wurden jetzt vorwiegend in Ungnade gefallene Mitarbeiter der Staatssicherheit. Das oberste Gebot hieß dabei: strikte Geheimhaltung. "Kreislaufversagen" oder "Herzinfarkt" stand auf den Todesscheinen.

 

                                          
Von der Guillotine zum "unerwarteten Nahschuss"

 

Die zentrale Hinrichtungsstätte war ab1960 die Leipziger Strafvollzugseinrichtung in der Alfred - Kästner-Straße. Hier stand bis 1968 eine alte Guillotine. Nachdem sie mehrfach ihren Dienst versagt hatte und es zwei oder drei Anläufe brauchte, ehe der Delinquent tatsächlich tot war, ging man dazu über, die sowjetische Methode des "unerwarteten Nahschusses in das Hinterhaupt" anzuwenden. Der zum Tode Verurteilte wurde in einen Raum geführt, von hinten trat leise der Henker an ihn heran und erschoss ihn mit einer schallgedämpften Armeepistole.

 

                                        
"Von wegen nicht hinrichten - alles Käse, Genossen!"

 

Insgesamt haben DDR-Gerichte 221 Todesurteile ausgesprochen, davon wurden mutmaßlich 164 vollzogen, genaue Opferzahlen gibt es bis heute nicht. Das letzte Opfer der Todesstrafe war Werner Teske, Hauptmann der Staatssicherheit. Teske hatte sich mit geheimen Dokumenten in den Westen absetzen wollen. Sein Chef Erich Mielke wollte ein Exempel statuieren: "Kurzer Prozess! Weil ich ein Humanist bin", donnerte Mielke vor seinen Mitarbeitern. "Das ganze Geschwafel von wegen nicht hinrichten, nicht Todesurteil - alles Käse Genossen. Hinrichten, wenn nötig auch ohne Gerichtsurteil!"

 

                                                        
Todesursache "Herzversagen"

 

Am 26. Juni 1981 wurde Werner Teske wegen "schwerwiegenden Landesverrats" in der Alfred-Kästner-Straße durch "unerwarteten Nahschuss in das Hinterhaupt" hingerichtet. Auf dem Totenschein steht als Todesursache "Herzversagen". Teskes Frau erfuhr erst nach dem Ende der DDR von der Hinrichtung ihres Mannes. Man hatte ihr mitgeteilt, ihr Mann würde unter anderem Namen irgendwo in der DDR leben.

 

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